Satire, Alltägliches und andere Absurditäten

 

Zur Not vom Brot

Da sitz ich mal wieder – wie so oft – alleine und knabbere vor mich hin. Auf Grund mangelnder Lust, etwas zu kochen, hab ich mich für Brot und Beläge entschieden. Beim Einkaufen hatte ich meine bevorzugten Beläge ausgewählt: Pfälzer Leberwurst und Allgäuer Bergkäse. Eine leichte Entscheidung. Der Bergkäse hat einen genügend kräftigen Geschmack, den ich als Raucher mit leicht desensibilisierten Geschmacksnerven einfach brauche. Die ebenfalls sehr schmackhafte Leberwurst bewahrt mich vor Erkältungskrankheiten, da sie mich ausreichend mit Antibiotika versorgt. Beim Brot tu ich mich schon schwerer, es gibt inzwischen einfach zu viele Sorten. Ich hatte mich für ein Bauernsolo entschieden. Dachte das passt perfekt zu mir. Mein Vorname kommt von Bauer, denn der Name Jürgen hat den Wortstamm Georg, was sich wiederum vom lateinischen Agricola, also Bauer ableitet. Und, wie schon erwähnt, ist es eine Solomahlzeit. Ein wirklich leckeres Brot mit knuspriger Rinde. Besser als die Sorte davor. Da hatte ich mich für ein Holzklötzle entschieden. Das Brot machte seinem Namen alle Ehre. Es war harte Arbeit das Ding mit dem Brotmesser in Scheiben zu zerlegen. Erst der Fuchsschwanz brachte Erleichterung. Einigermaßen überrascht war ich, dass meine Zahnkronen sich beim Verzehr nicht verabschiedet haben. „No risc, no fun“ dachte ich, und habe es brav aufgegessen. Dank meiner Erziehung werfe ich fast nie Lebensmittel in den Müll. Meine Eltern haben noch Zeiten des Krieges erlebt. Weshalb ich bei Besuchen noch immer maßlos überfüllte Vorratschränke vorfinde. Aber das ist eine andere Geschichte.

            Vor diesem Fehlgriff mit dem Holzklötzle hatte ich schon eine ganze Menge Brotsorten ausprobiert. Eine Zeit lang war das Fitness-Dreikornbrot mein Favorit. Als Freund von Effizienz genoss ich die ultrakurzen Aufenthalte auf der Toilette. Ich hatte allerdings nach einer Weile Angst, dass die Kräftigung meiner Darmmuskulatur Ausmaße annehmen könnte, die meinen Körper zu sprengen in der Lage gewesen wären. Außerdem, wer will verdauungstechnisch schon immer auf der Überholspur leben? So wechselte ich zum Joggingbrot. Ich erhoffte mir, dass der Fitness-Effekt, der durch Joggen entsteht, schlicht beim Essen zu holen ist. Das Joggingbrot war indes so schmackhaft, dass mich mein Bauch nach kurzer Zeit ziemlich unsportlich aussehen ließ. Ich bin zwar kein Sportler, aber das muss ja nicht jeder sofort erkennen. Dies machte einen Wechsel unausweichlich. Nun entdeckte ich das Siegerbrot. Das Brot an sich sah nicht appetitlicher aus, als die unzähligen anderen Sorten. Doch der Name war äußerst viel versprechend. War ich nicht oft genug auf der Verliererseite? Da konnte es nicht schaden, sich gelegentlich ein bisschen Siegerstimmung zu holen. Zur Not vom Brot. Wie sich jeder denken kann, hat das nicht funktioniert. Das Brot war nicht schlecht, dennoch kaufte ich es aus Enttäuschung nicht wieder. Erneut auf der Suche nach dem idealen Brot, war ich sehr erstaunt, wie andere Sorten hießen. Ein Holzofenbrot kam überhaupt nicht in Frage. Ich konnte mir schlicht nicht vorstellen, wie ein Ofen, der aus Holz besteht, Temperaturen, die zum Backen eines Brotes notwendig sind, standhalten konnte. Das musste mit Zauberei zu tun haben. Dagegen war das Steinofenbrot einleuchtender. Doch das führte ich mir nur ein Mal zu Gemüte. Es hatte zwar außen eine schöne Kruste, innen war es allerdings zu matschig. Kartoffelbrot schied aus, denn ich finde es befremdlich, den Verzehr von Kartoffeln mit Brot zu kombinieren. Entweder Kartoffeln oder Brot. Zudem drängte sich mir der Verdacht auf, dass das Brot erfunden wurde, als dem Bäcker das Mehl auszugehen drohte, und er es mit Kartoffeln vom benachbarten Discounter streckte. Dessen Kartoffeln waren alle nahezu gleich groß. Das roch mir doch zu sehr nach Genmanipulation.

            Das Meisterweiße ist die beste Wahl, wenn man ein gänzlich eigengeschmackloses Brot haben will, auf dem man – sozusagen ungefiltert – den Geschmack des Belages genießen kann. Unglücklicherweise verhalf es mir meisterlich zu einem sich mehr und mehr aufblähenden Bauch. So dass ich nach kurzer Zeit einen Fitness-Dreikorn-Tag einzulegen hatte, mit der schon beschriebenen Wirkung. Ein Hexenlaible traute ich mich nie zu kaufen, obwohl ich wusste, dass zum Beispiel in einem Marmorkuchen ja auch keine Marmorstücke verarbeitet werden. Man kann es halt nicht wissen. Die katholische Kirche hat so viele Geheimnisse. Und mein Bäcker ist katholisch. Aus demselben Grund konnte ich mich nie zum Kauf eines Holzfällerbrotes entscheiden. Obwohl ich trotz angestrengten Nachdenkens keinen Grund fand, weshalb Holzfäller bei der katholischen Kirche in Ungnade gefallen sein könnten.

            Nun bin ich gespannt, ob mich mein Bauernsolo eine längere Zeit begleiten wird. Denn ich würde gerne in Zukunft brottechnisch auf Selbstversuche verzichten. Mein Bäcker hat da allerdings ein Wörtchen mitzureden. Der hat ständig neue Brotsorten in den Regalen. Den Platz dafür erhält er dadurch, dass er andere Sorten aus dem Sortiment entfernt. Ich finde es unfassbar, wie dieser Bäcker, der mitten in der Nacht sein Tagwerk beginnt, in der Lage ist, so unbeschreiblich viele Brotsorten zu erfinden. Und wie er diese zu dem auf seiner täglich – oder eher nächtlich – aktualisierten Homepage bewirbt. Würde ich regelmäßig so früh aufstehen, wäre es mir unmöglich gewesen, wenigstens einen Satz dieses Textes schreiben zu können. Welch ein Glück, dass ich meine Texte nicht jeden Morgen frisch im Verkaufsregal platzieren muss.

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